Die Gefahr des Reduktionismus

Menschen denken nicht gerne. Die Gründe hierfür sind nicht überraschend, wenn man erkennt, was notwendig ist, um den Verstand aktiv einzusetzen. Denken erfordert Arbeit, es erfordert Zeit, Energie und Konzentration, und es kann sogar ein gewisses Maß an Unbehagen verursachen. Ich glaube, wir alle können bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen, dass es oftmals einfacher ist, sich mit anderen Dingen als dem Denken zu beschäftigen, wenn wir mit der Notwendigkeit des Denkens konfrontiert werden. Denken fällt uns ganz einfach schwer.

Da wir wissen, dass es den Menschen schwerfällt, ihren Verstand aktiv einzusetzen, können wir verstehen, warum die Menschen lieber an etwas „Einfaches“ glauben. Es ist eben bequemer, an eine einfache Erklärung zu glauben, weil diese Einstellung kein Nachdenken erfordert.

Allerdings konzentrieren sich einfache Erklärungen oft nur auf eine begrenzte Sichtweise und lehnen alles ab, was eine solche Erklärung in Frage stellt. Stark vereinfachte Erklärungen stehen dem Verständnis der vollen Wahrheit eines Sachverhalts oft im Weg. Diese zu starke Vereinfachung nennt man Reduktionismus. Reduktionistische Erklärungen klingen immer gut, können aber sehr irreführend sein, wenn ein tiefergehendes Verständnis erforderlich ist.

Reduktionistische Erklärungen können großen Schaden anrichten, wenn sie auf Situationen angewandt werden, in denen eine allumfassende Einsicht erforderlich ist. Wenn wir zum Beispiel glauben, dass alles, was wir tun müssen, um ein Auto instand zu halten, darin besteht, Benzin in den Tank zu füllen, dann wird es nicht lange dauern, bis keine Benzinmenge mehr ausreicht, um es in Gang zu bringen. Es stimmt zwar, dass ein Auto Benzin braucht, aber wenn wir uns auf die allzu vereinfachte Lösung „damit ein Auto funktioniert, braucht es Benzin“ verlassen, wird der Sachverhalt nicht vollständig erfasst. Wir müssen oftmals weitere Informationen berücksichtigen, wenn wir verstehen wollen, wie die Dinge funktionieren.

Wenn wir uns das weltliche so-genannte Christentum betrachten, ist es leicht zu erkennen, dass reduktionistische Argumente zum Tragen kommen. Die Menschen stellen ihren gesamten Glauben auf die Grundlage einer Handvoll Bibelstellen und ignorieren die anderen, die ihrem Glauben widersprechen, ohne es zu bemerken. Man liest über Bibelstellen, Abschnitte, Kapitel und ganze Bücher in der Bibel hinweg, ohne sich die Zeit zu nehmen, über die Bedeutung der Worte nachzudenken, denn Denken ist ja harte Arbeit. Es ist zum Beispiel üblich, dass nominelle Christen Johannes 3,16 zitieren: „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Jedoch fahren sie dann nicht fort, zusätzliche, diesen Umstand erklärende Bibelstellen zu betrachten. Es ist verführerisch, eine einzige Schriftstelle zu lesen und darauf eine ganze Lehre aufzubauen. Für sich genommen könnte man meinen, dass ein Mensch nur an Jesus Christus glauben muss, um ewiges Leben zu haben. Doch die Menschen fragen sich nicht, was es bedeutet, an Christus zu glauben. Wie wir wissen, gehört viel mehr dazu, ein vollständig bekehrter Christ zu werden, als nur der Glaube an die Existenz Jesu. Aber Fragen zu stellen, die eine so ansprechende und einfache Glaubensstruktur in Frage stellen, ist eben unangenehm.

Natürlich können wir nicht die ganze Schuld auf die Menschen abwälzen, die sich nicht die Zeit nehmen, über die Lehren der Bibel nachzudenken. Nicht jeder ist in diesem Zeitalter dazu berufen, die Wahrheit zu verstehen. Gott beruft, wen er will, und das schließt zurzeit die große Mehrheit aus (vergleichen Sie Johannes 6,44-45, Johannes 6,65). Die Warnung, in die Falle reduktionistischer Erklärungen zu tappen, gilt aber auch für bekehrte Mitglieder der Kirche Gottes, und zwar in gravierender Weise. Wenn wir uns dazu entschließen, die von der Predigerschaft verkündeten Lehren der Bibel und der Kirche allzu schnell zu übergehen, ohne uns die Zeit zu nehmen und sicherzustellen, dass wir auch begreifen, warum diese Lehren wahr sind, dann begeben wir uns in eine gefährliche Lage.

Die Entwicklung unseres Verständnisses der Wahrheit, die uns zum Heil führen wird, erfordert die Erforschung der Heiligen Schrift nach weiteren bestätigenden Beweisen und nicht die Reduzierung von Erklärungen auf ein Mindestmaß.

Um unser Verständnis der Wahrheit zu entwickeln, ist die gesamte Bibel erforderlich. Vertrauen Sie dabei nicht nur auf mein Wort! Das Wort Gottes drückt diese Anweisung ebenfalls mit großer Klarheit aus. In der Antwort Jesu Christi auf die Versuchung durch Satan sagte er: „… Es steht geschrieben: ‚Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht‘“ (Matthäus 4,4). Wir müssen dies so verstehen, dass alle Worte der Bibel für uns da sind, um sie anzuwenden, anstatt sie zu ignorieren, wenn die Lehren für uns unbequem sein mögen, oder wenn wir vielleicht noch nicht vollumfänglich begreifen, was wir lernen. Wenn wir die gesamte Bibel nutzen, um uns ein vollständiges Verständnis der Wahrheit zu erarbeiten, ohne sie durch die Voreingenommenheit unserer fleischlichen Natur zu verderben, dann werden wir geistlich wachsen. Aber das erfordert einige Arbeit. „… Vorschrift auf Vorschrift, Vorschrift auf Vorschrift; Satzung auf Satzung, Satzung auf Satzung, hier ein wenig, da ein wenig“ (Jesaja 28,10; Schlachterbibel).

Ob es uns nun leichtfällt oder nicht, wir müssen uns bemühen, über das, was wir lernen, nachzudenken und Fragen zu stellen, wenn wir unser geistliches Verständnis entwickeln wollen. Das ist ohne Zweifel harte Arbeit. Aber wir sind unserer Berufung durch Gott nicht gefolgt, weil es ein einfacher Weg für uns wäre. Wir sind unserer Berufung aus Liebe zur Wahrheit gefolgt, weil wir wissen, dass dies der bessere Weg zu leben ist. Wir können sicher sein, dass sich die Arbeit lohnt, wenn wir die Weisung Jesu Christi bedenken: „Gehet (in das Reich Gottes) durch die enge Pforte ein; denn weit ist die Pforte und breit der Weg, der ins Verderben führt, und es sind ihrer viele, die auf ihm hineingehen. Eng ist dagegen die Pforte und schmal der Weg, der ins Leben führt, und nur wenige sind es, die ihn finden“ (Matthäus 7,13-14, Menge Bibel).

Verfasser: Eric Rank

Ursprüngliche Übersetzung: Daniel Blasinger