Bevor wir diese Frage beantworten, müssen wir zunächst ein grundlegendes Verständnis über das Konzept der physischen Beschneidung verdeutlichen.
Wie wir sehen werden, war die physische Beschneidung im Alten Testament ein Typus oder ein Vorläufer für die geistliche Beschneidung des Herzens (ebenso wie die Tieropfer vorübergehend eingeführt wurden, um auf das Opfer Jesu Christi hinzudeuten). Vergleichen Sie hierzu 5.Mose 10,16; 30,6; Jeremia 9,24-25 und Jeremia 4,4.
Im Neuen Testament wird wieder und wieder betont, dass wahre Christen geistlich beschnitten sein müssen—nicht physisch; vergleichen Sie Kolosser 2,11. Aus diesem Grund sagt uns Paulus in 1.Korinther 7,18-19: „Ist jemand als Beschnittener berufen, der bleibe bei der Beschneidung. Ist jemand als Unbeschnittener berufen, der lasse sich nicht beschneiden. Beschnitten sein ist nichts, und unbeschnitten sein ist nichts, sondern: Gottes Gebote halten.“
Beachten Sie auch Römer 2,28-29: „Denn nicht der ist ein Jude, der es äußerlich ist, auch ist nicht das die Beschneidung, die äußerlich am Fleisch geschieht; sondern der ist ein Jude, der es inwendig verborgen ist, und das ist die Beschneidung des Herzens, die im Geist und nicht im Buchstaben geschieht. Das Lob eines solchen ist nicht von Menschen, sondern von Gott.“
Beachten Sie schließlich noch Galater 5,6: „Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.“ Außerdem fügt Paulus in Galater 6,15 noch folgendes hinzu: „Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern eine neue Kreatur.“
Weiterhin wird im Neuen Testament deutlich, dass die physische Beschneidung nicht länger erforderlich und sogar falsch ist, wenn sie aus dem unrichtigen Glauben heraus durchgeführt wird, dass Beschneidung ein Gesundheitsgesetz sei oder, was noch schlimmer wäre, dass physische Beschneidung für die geistliche Erlösung notwendig sei.
Wir erklären hiermit dogmatisch, dass die physische Beschneidung KEIN Gesundheitsgesetz ist.
Gott gab den Menschen zeitlose physische und geistliche Gesetze, einschließlich der Gesundheitsgesetze. Gott gab den Menschen im Alten Testament aber auch vorübergehende Ritualgesetze, die einen begrenzten, zeitbezogenen Zweck erfüllten.
Was Gesundheitsgesetze angeht, sagte Gott dem Menschen, dass bestimmte tierische Speisen zum menschlichen Verzehr geeignet sind, wohingegen andere Tiere nicht dazu geschaffen wurden, um verzehrt zu werden (3.Mose 11; 5.Mose 14).
Diese Speisegesetze sind in der Tat Gesundheitsgesetze, die dem Menschen zu seinem eigenen Besten gegeben wurden und die noch heute in Kraft sind. Tatsächlich werden sie zur Zeit der Wiederkehr Christi noch immer in Kraft sein (Vergleichen Sie Jesaja 66,16-17).
Das Gesetz der physischen Beschneidung war eindeutig kein zeitloses Gesundheitsgesetz, sondern ein vorübergehendes Ritualgesetz. Um diese Aussage zu beweisen, sollten wir zunächst überlegen, wann und warum Gott die Beschneidung angeordnet hat.
Gott gebot die Beschneidung als ein Zeichen jenes Bundes (Römer 4,11; 1.Mose 17,10-11), den Gott mit Abraham und seinen Nachkommen schloss, sowie mit jedem, der sich ebenfalls unter denselben Bund der Verheißung begeben will. Gleichzeitig bildete die Beschneidung selbst einen Bund (Apostelgeschichte 7,8). Aber die Beschneidung war keineswegs als ein zeitloses Gesundheitsgesetz zu verstehen. Der Grund hierfür ist, dass das Gesetz der Beschneidung erst lange nach der Erschaffung des Menschen in Kraft trat, und dass die Beschneidung heute nicht mehr erforderlich ist. Wäre sie ein Gesundheitsgesetz, dann wäre sie seit der Erschaffung des Menschen in Kraft gewesen, und Gott würde die Einhaltung noch heute verlangen, da er dem Menschen nichts wegnehmen würde, was zu seinem eigenen Besten ist.
Es ist klar, dass Gott von Abraham und dem alten Israel nicht verlangt hätte, sich zu beschneiden, wenn ihnen dies geschadet und medizinische Nebenwirkungen gehabt hätte. Gleichzeitig müssen wir erneut betonen, dass Gott dieses Gesetz NICHT als ein Gesundheitsgesetz gegeben hat. Es war lediglich ein vorübergehendes Ritualgesetz, so wie das Opfergesetz und das Gesetz der rituellen Waschungen.
Weiterhin haben wir ja gelesen, dass Paulus denjenigen Heiden, die Christen werden wollten, sagte, dass sie nicht beschnitten werden mussten. WENN die Beschneidung ein Gesundheitsgesetz wäre, dann hätte Paulus sie gelehrt, eines der zeitlosen, physischen Gesetze Gottes zu verletzen und zu brechen. Die Idee, dass Paulus so etwas gelehrt haben könnte, ist absolut widersinnig.
Des Weiteren ist erneut festzuhalten, dass die physische Beschneidung eindeutig NICHT für die Erlangung des Heils notwendig ist.
Paulus sagt uns in Galater 5,2-3: „Ich, Paulus, sage euch deshalb in aller Deutlichkeit: Wenn ihr euch beschneiden lasst, wird alles nutzlos sein, was Christus für euch getan hat. Und noch einmal erkläre ich jedem Einzelnen von euch: Wer sich beschneiden lässt, der muss das ganze Gesetz mit allen seinen Forderungen [also auch alle rituellen Satzungen] befolgen“ (Hoffnung für Alle).
Die neue Lutherbibel von 2009 übersetzt sodann Galater 5,4 wie folgt: „Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerechtfertigt werden wollt; ihr seid aus der Gnade gefallen.“
Mit diesen Versen richtet sich Paulus gegen jene, die die Galater lehrten, dass sie beschnitten sein müssten, um das Heil zu erlangen. Aber Paulus sagt in Vers 2, dass ihnen Christus nichts nützt und sie Gottes Gnade verspielen, wenn sie meinen, beschnitten sein zu müssen, um Rechtfertigung zu erlangen (Vers 4).
Wir könnten fragen, warum Gott die vorübergehenden zeitweiligen Gesetze der physischen Beschneidung und des Tieropfersystems eingeführt hat, da sie weder vor der Zeit Abrahams und Moses zu beachten waren, noch heute in Kraft sind. Der Grund für die physische Beschneidung und die Tieropfer (die heute von einigen als barbarisch angesehen werden) könnte in der schrecklichen und barbarischen Schwere von Sünde und ihrer Konsequenzen liegen, die es erforderlich machten, dass der Sohn Gottes, Jesus Christus, ein Mensch wurde, als ein Mensch lebte, die Sünde im Fleisch überwand, und schließlich schrecklich gemartert und sodann ermordet wurde, um die Menschheit vor dem ewigen Tod zu bewahren.
Das Opfergesetz mit seinen Tieropfern ist wegen der Übertretung von Gottes geistlichem Gesetz hinzu- oder dazugekommen (Galater 3,19; Römer 5,20; neue Lutherbibel 2009). Die Einführung der Beschneidung könnte aus einem ähnlichen Grund erfolgt sein.
Abraham und sein Haus verließen eine gottlose Umgebung, die voller Heidentum und Götzendienst war, so dass die physische Beschneidung als ein äußeres Zeichen der Abkehr von Heidentum und Götzendienst hinzukam oder hinzugefügt wurde. Tieropfer, wie auch die physische Beschneidung, wurden eingeführt, um auf das höchste Opfer von Jesus Christus hinzudeuten. Er MUSSTE physisch beschnitten werden und er musste für uns sterben, damit wir die Vergebung der Sünden erlangen können. Er wurde um unseretwillen zur Sünde (2.Korinther 5,21) und zum Fluch (Galater 3,13).
Wir wissen, dass im Millennium zeitweilig Tieropfer eingeführt werden—vor allem von den und für die physischen Israeliten, aber beachten Sie auch Jesaja 19,21, wo wir lesen, dass die Ägypter und andere Nationen, wenn sie Teil von Israel werden wollen, ebenso Schlachtopfer auf einer zeitlich sehr begrenzten Basis geben werden. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Tieropfer während des Millenniums NICHT zum Zwecke der Vergebung der Sünden erbracht werden. Nur das Blut, das Christus vergossen hat, bewirkte dies—ein für alle Mal!
Gott führte das Opfersystem für das alte Israel ein, weil Israel gesündigt hatte, und die Opfer dienten als eine Erinnerung an ihre Sünden. Anscheinend werden aus demselben Grund zu Beginn des Millenniums Opfer gebracht werden, damit die fleischlichen, unbekehrten Menschen beginnen, den großartigen Zweck und die Bedeutung von Christi Opfer zu begreifen und zu schätzen, und auch zu erkennen, mit welch tiefer Abscheu Gott die Sünde betrachtet.
Die physischen Israeliten werden zu Beginn des Millenniums die Tieropfer in einem neuen Tempel in Jerusalem erbringen. Diese Opfer werden nicht gebracht werden, um geistliche Vergebung zu erlangen, sondern um die Menschen daran zu erinnern, dass sie gesündigt haben, und um ihnen zu helfen, das höchste Opfer von Jesus Christus anzuerkennen. Die Tieropfer werden vorübergehend sein und, wie es zur Zeit des Alten Testaments war, durch physische Leviten für die unbekehrten sündigenden Menschen erbracht werden, um es ihnen zu ermöglichen, in der Gemeinschaft Israels zu verbleiben.
Da es anscheinend für nur sehr kurze Zeit Tieropfer nach der Wiederkehr Jesu Christi geben wird, wird von daher auch die Praxis der physischen Beschneidung ebenfalls wieder eingeführt werden? Immerhin hat Paulus Timotheus beschnitten (Apostelgeschichte 16,3), obwohl er zuvor deutlich gemacht hatte, dass die Beschneidung nicht länger notwendig war.
Paulus beschnitt Timotheus, weil er effektiv an der Verkündigung des Evangeliums mitarbeiten sollte. Auch wenn es nicht zur Erlangung des Heils notwendig ist, so ist es dennoch nicht gegen Gottes Gesetz, eine Beschneidung durchzuführen. Der beschnittene Timotheus wurde nun als ein Jude akzeptiert, und unnötige Diskussionen wurden vermieden. Paulus wollte nicht, dass Timotheus für die Juden zu einem Stein des Anstoßes werden würde. Die Beschneidung von Timotheus wurde durchgeführt, um unnötige Konflikte zu vermeiden.
Dieser besondere Vorfall kann jedoch weder als eine generelle Anordnung zur Beschneidung verstanden werden, noch kann er zu der Behauptung herangezogen werden, dass physische Beschneidung generell im Millennium durchgeführt werden wird.
Da wir Schriftstellen finden, in denen die Bibel deutlich sagt, dass Tieropfer zu Beginn des Millenniums erbracht werden, müssten wir bei gegenteiliger Ansicht auch Schriftstellen finden, die etwas ähnliches hinsichtlich der physischen Beschneidung aussagen.
Es scheint nur zwei biblische Passagen zu geben, die Beschneidung im Millennium ansprechen könnten.
Die erste Bibelstelle ist Jesaja 52,1, wo wir lesen:
„Wach auf, wach auf, Zion, zieh an deine Stärke! Schmücke dich herrlich, Jerusalem, du heilige Stadt! Denn es wird hinfort kein Unbeschnittener oder Unreiner zu dir hineingehen.“
Allerdings herrscht überwiegende Einigkeit darüber vor, dass diese Schriftstelle nicht die physische Beschneidung anspricht und die Notwendigkeit, physisch beschnitten zu sein, um während des Millenniums Eintritt in die Stadt Jerusalem zu erlangen.
Barnes Notes on the Bible schreibt hierzu:
„Die Unbeschnittenen und die Unreinen – Die Idee ist, dass nur jene Jerusalem betreten und dort wohnen dürfen, die wahre Anbeter des wahren Gottes sind. Die Unbeschnittenen sind ein Sinnbild für die Unreinen, die Unbekehrten und die Götzendiener… Die Sicht des Propheten erstreckt sich auf die reineren und glücklicheren Zeiten unter der Herrschaft des Messias…“
Der Kommentar von Jamieson, Fausset and Brown stimmt damit überein und sagt:
„… unbeschnitten – auf geistliche Art… Christi Königreich soll verherrlicht werden…“
Der Pulpit Commentary schreibt:
„Hinfort sollen nun nicht mehr die Unbeschnittenen hineinkommen… Wenn der Einlass der Heiden kommt (Jesaja 42,6; Jesaja 49,6.22, etc.), so werden es Heiden sein, die an ‚Lippen und Herzen beschnitten‘ sein werden und deshalb nicht länger ‚unrein‘ sind (Apostelgeschichte 10,15).“
Cambridge Bible for Schools and Colleges fügt hinzu:
„Die Unbeschnittenen und Unreinen, dies bedeutet nicht Fremde im Allgemeinen… sondern ‚Zerstörer‘ und ‚Verderber’…“
Die zweite Schriftstelle findet sich in Hesekiel 44,7-9, wo wir lesen, dass „fremde Leute mit unbeschnittenem Herzen und unbeschnittenem Fleisch“ nicht mehr das Heiligtum Gottes betreten werden.
Die Erklärung dieser Passage ähnelt der, die hinsichtlich Jesaja 52,1 gegeben wurde.
Gill`s Exposition on the Bible sagt:
„(Vers 7) Denn ihr habt fremde Leute mit unbeschnittenem Herzen und unbeschnittenem Fleisch in mein Heiligtum hineingelassen… uneinsichtige Menschen, die sich in einem Zustand der Distanzierung und Entfremdung zu göttlichen und geistigen Dingen befinden: Fremde gegenüber Gott; gegenüber seiner wahren Erkenntnis… Fremde gegenüber der Natur der Sünde und ihrer übermäßigen Sündhaftigkeit, fremd der Arglist der Sünde und ihrer Konsequenzen, fremd gegenüber der wahren Reue und dem wahren Weg zur Versöhnung durch das Blut Christi, Fremde gegenüber dem Evangelium Jesu Christi und seinen Wahrheiten, und den Heiligen und dem Volk Gottes;
„und unbeschnitten an ihren Herzen; die niemals den Stachel der Sünde in ihren Herzen wahrgenommen haben, oder dort um der Sünde willen Schmerzen gefühlt haben, von denen niemals die Hartherzigkeit genommen wurde oder die an sich die Unreinheit bemerkt hätten, und die niemals wegen ihrer Sünden mit Scham und Abscheu erfüllt waren, oder jemals die Natur der Sünde… abzulegen versucht haben,
„und unbeschnitten im Fleisch, fleischlich gesinnt, so wie sie geboren wurden, Menschen im Fleisch… die Werke des Fleisches ausübend, denen niemals die Gnade Gottes gelehrt wurde, um der Gottlosigkeit, den weltlichen Gelüsten und der Fleischlichkeit zu entsagen, oder jene, die ihre Zuversicht in das Fleisch legen, in äußerliche Dinge, in fleischliche Privilegien und äußerliche Rechtschaffenheit, jene, über die der Herr klagt, dass sie: ‚in mein Heiligtum hineingelassen [wurden] und so mein Haus entheiligt [haben]‘: entweder um dort Mitglieder zu sein und an allen Verordnungen und Privilegien vom Haus des Herrn teilzuhaben, oder um dort als Priester und Prediger des Herrn tätig zu sein…“
Elliott’s Commentary for English Readers schreibt hierzu:
„(Vers 9) in mein Heiligtum kommen – Um dem Übel der Vergangenheit vorzubeugen, wird hier das Gebot gegeben, dass keiner der als Fremde beschriebenen Menschen jemals in das Heiligtum kommen solle, jedoch gibt unsere Version einen falschen Eindruck von diesem Verbot wieder, indem sie schreibt: ‚… noch unbeschnitten am Fleisch‘ (King James Version). Vielmehr sollte es, wie in Hesekiel 44,7, ‚und [unbeschnitten am Fleisch]‘ heißen [Unsere Anmerkung: So hat es auch die rev. Lutherbibel wiedergegeben.]. Das Gebot bedeutet nicht, dass es keiner unbeschnittenen Person erlaubt sein solle, das Heiligtum zu betreten, denn der Verbleib von Fremden unter den Israeliten ist in Hesekiel 47,22-23 ausdrücklich erlaubt, aber die Betonung liegt hier, so wie auch zuvor, auf ‚unbeschnitten am Herzen‘. Es soll gottlosen Heiden nicht erlaubt sein, das Heiligtum zu betreten, um die göttliche Anbetung zu entweihen.“
Diese Stellungnahmen sind zweifellos richtig. Man beachte erneut die Formulierung in Hesekiel 44,9, wo es heißt: „Es soll kein Fremder mit unbeschnittenem Herzen und unbeschnittenem Fleisch in mein Heiligtum kommen von allen Fremdlingen, die unter den Israeliten leben.“
Daraus folgt, dass es keine eindeutige biblische Schriftstelle gibt, die darauf hindeutet, dass die Praxis der physischen Beschneidung im Millennium als eine verpflichtende Anforderung wieder eingeführt werden wird. Physische Beschneidung war niemals ein Gesundheitsgesetz oder ein Gesetz, das zur Erlangung des Heils notwendig war. Heutzutage ist es eine persönliche Entscheidung der Eltern, ob sie ein männliches Baby (am achten Tag) beschneiden lassen wollen oder nicht. Es ist weder erforderlich noch ist es verboten, solange es nicht aus unangemessenen oder unbiblischen Gründen heraus geschieht. Wir mögen von daher den Schluss ziehen, dass die physische Beschneidung im Millennium unter bestimmten Umständen erlaubt sein könnte, dass sie aber keineswegs verpflichtend wäre.
Verfasser: Norbert Link