Hebräische Poesie in der Bibel

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Das Alte Testament der Bibel beinhaltet hebräische Poesie, die aber nicht mit der heutigen Art der Poesie, die sich am Ende der Verse reimt, verglichen werden darf. Vielmehr ist hebräische Poesie geschaffen, um bestimmte Aspekte der Wahrheit klarer auszudrücken und zu betonen. Es ist wichtig zu realisieren, wann und wie hebräische Poesie verwendet wird, damit wir nicht den beabsichtigten Sinn eines bestimmten Abschnittes missverstehen.

In diesem Artikel werden wir die Schönheit und Weisheit der inspirierten hebräischen Poesie tiefgreifend behandeln. Sie kann generell als Parallelismus beschrieben werden. Im Hebräischen ist das Reimen die Wiederholung von Gedanken oder die Erweiterung von ähnlichen Gedanken.

Wenn wir uns die unterschiedlichen Reimformationen in der hebräischen Poesie ansehen, müssen wir verstehen, dass sie nie nur aus Spaß verwendet wurden. Hebräische Poesie wurde in der Bibel nie zum Zwecke der Kunst gebraucht, obwohl sie offensichtlich eine Kunstform darstellt. Vielmehr verhält es sich so (wie Kommentatoren es klargestellt haben), dass sie zur Lehre, Prophezeiung und zur Anbetung gebraucht wurde. Der Stil der hebräischen Poesie war für solche Absicht ideal geeignet, da wichtige Ideen in unterschiedlicher Weise wiederholt wurden–und in solcher Vielfalt, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes eine Kunst war. Die Poesie des Alten Testaments war nie ermüdend, sondern eine Freude zu lesen und zu wiederholen, und selbst in der Übersetzung kann sie uns Schlüssel für das Verständnis einer bestimmten Aussage geben, wenn sie richtig analysiert und erkannt wird.

Zunächst werden wir biblische Beispiele für das Konzept des Synonymen Parallelismus aufzeigen. Sodann werden wir auf weitere Konzepte innerhalb der hebräischen Poesie eingehen.

„Synonym“ beschreibt die Idee, dass ein Wort dieselbe Bedeutung hat wie ein anderes Wort. Synonymer Parallelismus bedeutet, dass die zweite Zeile die Idee der ersten Zeile wiederholt. In diesem Artikel sprechen wir in solchen Fällen von „gleichartigen“ oder „identischen“ Gedanken.

Wir müssen weiter zwischen identischem synonymem Parallelismus und ähnlichem synonymem Parallelismus unterscheiden. Identischer synonymer Parallelismus wiederholt in der zweiten Zeile identische Gedanken, die in der ersten Zeile beschrieben wurden. Im ähnlichen synonymen Parallelismus wird ein Gedanke aus der ersten Zeile in der zweiten Zeile wiederholt, wobei aber etwas anderes hinzugefügt wird.

IDENTISCHER SYNONYMER PARALLELISMUS

Beginnen wir nun mit einigen Beispielen hebräischer Poesie, die IDENTISCHEN SYNONYMEN PARALLELISMUS–die Wiederholung von identischen Gedanken–beinhalten:

Psalm 50,20:

„Du sitzest und redest wider deinen Bruder;
deiner Mutter Sohn verleumdest du.“

Zwei identische Gedanken werden beschrieben, jedoch werden unterschiedliche Wörter gebraucht; „sitzest und redest“ in der ersten Zeile ist identisch mit „verleumdest“ in der zweiten Zeile; desgleichen ist „deinen Bruder“ mit „deiner Mutter Sohn“ identisch. Das verheerende und feige Prinzip von „Verleumdung“ wird hier hervorgehoben–jemand sitzt einfach da und redet Übles und das gegen seinen eigenen Bruder, den Sohn seiner eigenen Mutter.

Psalm 24,1-3:

„Die Erde ist des HERRN und was darinnen ist,
der Erdkreis und die darauf wohnen.
Denn er hat ihn über den Meeren gegründet
und über den Wassern bereitet.
Wer darf auf des HERRN Berg gehen (besser: hinaufsteigen; vgl. Elberfelder Bibel),
und wer darf stehen an seiner heiligen Stätte?“

Diese Verse beinhalten mehrere Beispiele von identischem synonymem Parallelismus oder von dem Ausdruck identischer Gedanken. In Vers 1 wird die „Erde“ mit dem „Erdkreis“ gleichgesetzt, und „was darinnen ist“ mit „die darauf wohnen“. In Vers 2 lesen wir, dass Gott den Erdkreis „über den Meeren gegründet“ hat; sprich, er hat ihn „über den Wassern“ „bereitet“. In Vers 3 wird „des HERRN Berg“ mit „seiner heiligen Stätte“ gleichgesetzt, und „gehen“ oder besser „hinaufsteigen“ dürfen ist identisch mit „stehen“ dürfen. Wenn jemand auf den heiligen Berg Gottes (Jerusalem, siehe Jesaja 2,2-3) hinaufsteigt, dann wird er dort stehen.

Psalm 15,1:

„HERR, wer darf weilen in deinem Zelt?
Wer darf wohnen auf deinem heiligen Berge?“

Hier wird „weilen“ mit „wohnen“ gleichgesetzt, und des HERRN „Zelt“ beschreibt „seinen heiligen Berg.“ Letztendlich wird Gott der Vater mit uns auf der neuen Erde wohnen und sein Zelt wird bei unsterblichen Menschen sein (Offenbarung 21,1-3).

Psalm 2,4:

„Aber der im Himmel wohnt, lachet ihrer,
und der Herr spottet ihrer.“

Der Herr ist derjenige, der im Himmel wohnt, und er lacht über oder spottet seiner Feinde, weil er weiß, dass ihr Kampf und ihre Rebellion gegen ihn nutzlos und vergebens sind.

Hiob 3,20:

„Warum gibt Gott das Licht dem Mühseligen
und das Leben den betrübten Herzen…?“

Licht und Leben sind als identisch beschrieben; dasselbe gilt für Mühseligkeit und ein betrübtes Herz.

Sprüche 27,2:

„Lass dich von einem andern loben und nicht von deinem Mund,
von einem Fremden und nicht von deinen eignen Lippen.“

Der identische Parallelismus mag in diesem Beispiel klar sein, aber wir müssen hier die schönen Nuancen erkennen. „Ein anderer“ ist mit „einem Fremden“ gleichgesetzt, sodass das Lob aufrichtig ist und Schmeichelei ausschließt. „…deinem Mund“ ist selbstverständlich mit „deinen eignen Lippen“ identisch.

1.Mose 4,23:

„Ada und Zilla, höret meine Rede,
ihr Frauen Lamechs, merkt auf, was ich sage:
Einen Mann erschlug ich für meine Wunde
und einen Jüngling für meine Beule.“

Hier finden wir ein weiteres Beispiel für identischen synonymen Parallelismus. „Ada und Zilla“ sind als die Frauen Lamechs identifiziert (anscheinend begann die Polygamie mit Lamech, und sie wird hier mit Mord in Verbindung gebracht) und er bekundet, dass er einen Mann tötete (welcher dann als Jüngling identifiziert wird), weil dieser ihn verwundete oder verletzte und ihm eine Wunde oder Beule beibrachte.

Sacharja 9,9:

„Du, Tochter Zion, freue dich sehr,
und du, Tochter Jerusalem, jauchze!
…arm [ist der König] und reitet auf einem Esel,
auf einem Füllen der Eselin.“

Dieser Abschnitt, welcher Ereignisse prophezeit, die sich im Leben Jesu zutragen würden, vergleicht „sich sehr freuen“ mit „jauchzen“ und „Zion“ mit „Jerusalem“. Ebenso ist der „Esel“ mit einem „Füllen der Eselin“ identifiziert (vergleiche Johannes 12,14-15).

4.Mose 23,7:

„… Komm, verfluche mir Jakob!
Komm, verwünsche Israel!“

„Verfluchen“ ist identisch mit „verwünschen“ und Jakob ist mit Israel gleichgesetzt.

4.Mose 23,21:

„Man sieht kein Unheil in Jakob
und kein Verderben in Israel.“

Abermals ist Jakob mit Israel identifiziert und Unheil ist dasselbe wie Verderben.

4.Mose 23,23

„Denn es gibt kein Zaubern in [besser: gegen; vgl. Schlachter Bibel] Jakob
und kein Wahrsagen in [besser: gegen, vgl. Schlachter Bibel] Israel.“

Dieselbe Gleichsetzung von Jakob und Israel wird verwendet, aber ein weiterer interessanter Aspekt wird hervorgehoben: „Zauberei“ ist dasselbe wie „Wahrsagerei“.

4.Mose 24,5:

„Wie fein sind deine Zelte, Jakob,
und deine Wohnungen, Israel!“

Jakob und Israel bedeuten dasselbe, wie auch „Zelte“ und „Wohnungen“ identisch sind, was uns daran erinnert, dass unser Wohnsitz in diesem Leben, obwohl wir es genießen sollten, nur zeitweilig ist—einem Zelt vergleichbar, das man heute aufschlägt und morgen abbricht.

4.Mose 24,17:

„Ich sehe ihn, aber nicht jetzt;
ich schaue ihn, aber nicht von nahem.
Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen
und ein Zepter aus Israel aufkommen
und wird zerschmettern die Schläfen der Moabiter
und alle Söhne Seths zertrümmern (vgl. Schlachter).“

Diese Äußerung ist mit identischen synonymen Parallelismen angefüllt. „Sehen“ ist identisch mit „schauen“; „nicht jetzt“ ist dasselbe wie „nicht von nahem“. Der „Stern“ ist dasselbe wie das „Zepter“ und beschreibt, dass Jesus Christus, der Morgenstern, über die Nationen herrschen wird, und er bezieht sich möglicherweise auch auf den Stern von Bethlehem zur Zeit des ersten Kommens von Christus; „aufgehen“ ist dasselbe wie „aufkommen“; und „Jakob ist wieder als „Israel“ identifiziert (Jesus Christus war ein Jude, der von Israel abstammte, durch die Jungfrau Maria, einer Nachfahrin König Davids). „Zerschmettern“ ist dasselbe wie „zertrümmern“, und „Moabiter“ werden mit den „Söhnen Seths“ identifiziert. Jesus Christus wird wiederkehren und aller Rebellion gegen Gott ein Ende setzen. Als Mose diese Prophezeiung erhielt, waren das erste und zweite Kommen Christi noch nicht nahe; mittlerweile hat sich das erste Kommen vor ungefähr 2000 Jahren zugetragen und sein zweites Kommen ist nun sehr nahe.

ÄHNLICHER SYNONYMER PARALLELISMUS

Sehen wir uns jetzt zwei Beispiele für AEHNLICHEN SYNONYMEN PARALLELISMUS an—der nicht völlig identische Gedanken beschreibt, jedoch einen Gedanken in der ersten Zeile äußert, der in der zweiten Zeile wiederholt wird, wobei ein weiterer Gedanke hinzugefügt wird.

Psalm 36,6 (Elberfelder Bibel):

„HERR, an den Himmel reicht deine Gnade,
deine Treue bis zu den Wolken.“

Gottes Gnade und Treue reichen bis zu den Wolken und an den Himmel; jedoch sind Gnade und Treue nicht zwingend identisch, aber sie sind verwandt.

Psalm 19,1:

„Die Himmel erzählen die Ehre Gottes,
und die Feste [besser: Ausdehnung, so Schlachter; im Sinne von Firmament] verkündigt seiner Hände Werk.“

Der Himmel und die Feste (das Firmament) erzählen von der Ehre Gottes und seiner Hände Werk, jedoch sind die Ehre Gottes und seiner Hände Werk nicht identisch. Allerdings sind sie verwandt, da man die Ehre Gottes IN seiner Hände Werk sehen kann.

INTROVERTIERTER PARALLELISMUS

Wir werden uns nun mit INTROVERTIERTEM und ANTITHETISCHEM PARALLELISMUS befassen.

Bei dem INTROVERTIERTEM PARALLELISMUS (auch bekannt als Chiasmus) ist die Reihenfolge der Gedanken vertauscht. In der ersten Zeile folgt der zweite Gedanke dem ersten Gedanken. In der zweiten Zeile folgt der erste Gedanke dem zweiten Gedanken.

Sehen wir uns dazu einige Beispiele an:

Psalm 51,3 (Menge Bibel):

„Sei mir gnädig, o Gott, nach deiner Güte!
Nach deinem großen Erbarmen tilge meine Vergehen!“

Wir sehen in dieser Aussage, dass „gnädig“ zu sein (Gedanke 1 in Zeile 1) mit dem Tilgen von Vergehen (Gedanke 2 in Zeile 2) identifiziert wird, und Güte (Gedanke 2 in Zeile 1) wird mit Gottes „großem Erbarmen“ (Gedanke 1 in Zeile 2) gleichgesetzt. Wenn wir gnädig sind, wie Gott es ist, dann sehen auch wir über Vergehen hinweg und sind gewillt, Übertretungen zu verzeihen und zu vergessen, und Gottes Güte kann in der Größe seines Erbarmens und seiner Barmherzigkeit (nicht in Gewalt oder Grausamkeit) gesehen werden.

Psalm 51,5:

„Denn ich erkenne meine Vergehen,
und meine Sünde ist stets vor mir.“

Hier wird „ich erkenne“ (Gedanke 1 in Zeile 1) mit „stets vor mir“ (Gedanke 2 in Zeile 2) assoziiert, und „meine Vergehen“ (Gedanke 2 in Zeile 1) wird mit „meine Sünde“ (Gedanke 1 in Zeile 2) gleichgesetzt. Dieses Beispiel zeigt uns, dass Bekenntnis von Vergehen nicht nur eine zeitweilige flüchtige emotionale Empfindung ist, sondern einen starken und anhaltenden Prozess darstellt, indem man erkennt, dass alle Vergehen Sünden darstellen, was dazu führt, dass wir aufrichtig bereuen, was wir getan haben und was wir sind.

Psalm 30,9 (New King James Bible):

„Ich rief zu dir, o HERR,
und zum HERRN [Menge und Zürcher: zu meinem Gott] flehte ich.“

Ich „rief“ (Gedanke 1 in Zeile 1) ist identisch mit „flehte ich“ (Gedanke 2 in Zeile 2), während „HERR“ (Gedanke 2 in Zeile 1) in der nächsten Zeile wiederholt wird (Gedanke 1 in Zeile 2) oder mit „meinem Gott“ gleichgesetzt wird. Zu dem HERRN rufen und zu ihm [oder zu meinem Gott] flehen ist identisch, was die Aufrichtigkeit und Dringlichkeit des Gebetes zeigt.

Sprüche 23,15-16 (Einheitsübersetzung):

„Mein Sohn, wenn dein Herz weise ist, so freut sich auch mein eigenes Herz.
Mein Inneres ist voll Jubel, wenn deine Lippen reden, was recht ist.“

Dies ist ein bemerkenswertes Beispiel von introvertiertem Parallelismus. Der erste Gedanke in Zeile 1 („dein Herz [ist] weise“) wird im zweiten Gedanken in Zeile 2 identifiziert („deine Lippen reden, was recht ist“), und „freut sich auch mein eigenes Herz“ (zweiter Gedanke in Zeile 1) ist mit „Mein Inneres ist voll Jubel“ gleichgesetzt (erster Gedanke in Zeile 2), oder, wörtlich: „Meine Nieren sind voll Jubel“. Diese Aussage zeigt uns, dass sich Weisheit des Herzens dadurch manifestiert, dass man redet, was recht ist, und das Herz oder die Nieren stehen für die Emotionen der Person und des ganzen Wesens—die Menge Bibel übersetzt den zweiten Gedanken in Zeile 1 (anstatt mit „mein eigenes Herz) mit „für mich“: „…so wird das auch für mich eine herzliche Freude sein.“

ANTITHETISCHER PARALLELISMUS

Ein weiteres Mittel hebräischer Poesie ist der antithetische Parallelismus. ANTITHETISCHER PARALLELISMUS ist das genaue Gegenteil zu synonymem Parallelismus. Die Bedeutung von „antithetisch“ ist „das genaue Gegenteil“.

Bei dieser Kunstform hebräischer Poesie wird die zweite Zeile der ersten Zeile gegenübergestellt. Die zweite Zeile drückt das Gegenteil der ersten Zeile aus, während die Reihenfolge der Gedanken beibehalten wird. Auch in der deutschen Sprache kann man durch Gegensätze „reimen“: „Gib mir Freiheit, oder den Tod.“

Sehen wir uns ein paar relevante und vielsagende Beispiele für antithetischen Parallelismus an:

Sprüche 10,1:

„Ein weiser Sohn ist seines Vaters Freude;
aber ein törichter Sohn ist seiner Mutter Grämen.“

Die zweite Zeile drückt das Gegenteil der ersten Zeile aus (was durch „aber“ zu Beginn der zweiten Zeile deutlich wird), während die Reihenfolge der gegensätzlichen Gedanken beibehalten wird. „Ein weiser Sohn“ (erster Gedanke in Zeile 1) wird einem „törichten Sohn“ gegenübergestellt (erster Gedanke in Zeile 2), während „seines Vaters Freude“ (zweiter Gedanke in Zeile 1) „seiner Mutter Grämen“ (zweiter Gedanke in Zeile 2) gegenübergestellt wird. Dies bedeutet nun also, dass ein weiser Sohn seinen Eltern Freude macht, während ein törichter Sohn seinen Eltern Kummer bereitet (die Menge Bibel übersetzt „Kummer“ anstelle von „Grämen“). Vater und Mutter müssen hier jeweils für beide Elternteile verstanden werden.

Sprüche 10,5 (Elberfelder Bibel):

„Wer im Sommer sammelt, ist ein kluger Sohn,
wer in der Ernte schläft, ein schandbarer Sohn.“

In diesem Beispiel wird der kluge Sohn, der im Sommer sammelt (Zeile 1), dem schandbaren Sohn (einem Sohn, der in der Ernte schläft–Zeile 2) gegenübergestellt. Und während der schandbare Sohn als jemand beschrieben wird, der Schande bereitet (Zeile 2), wird zwar das Gegenteil für den klugen Sohn in der ersten Zeile nicht ausdrücklich geäußert, ergibt sich aber aus dem Zusammenhang: der kluge Sohn bereitet keine Schande, sondern Lob und Preis. Aber ein weiterer Gegensatz wird hier besprochen: Der kluge Sohn sammelt „im Sommer“, während der schandbare Sohn „in der Ernte“ schläft. Die Idee wird geäußert, dass der kluge Sohn kontinuierlich arbeitet und fleißig und produktiv ist, während der schandbare Sohn kontinuierlich schläft und unproduktiv ist.

Sprüche 10,4 (Zürcher Bibel):

„Lässige Hand bringt Armut,
fleißige Hand schafft Reichtum.“

Der Arme und der Reiche werden hier gegenübergestellt, und es wird ausgedrückt, dass Nachlässigkeit zu Armut führt, während Fleiß zu Reichtum führt. Dies kann auch auf unser geistliches Leben angewendet werden. Wenn wir geistlich nachlässig oder lauwarm werden, werden wir arm, wohingegen Fleiß und Eifer zu ewigem Leben und den wahren Reichtümern im Königreich Gottes führen.

Sprüche 10,12 (Elberfelder Bibel):

„Hass erregt Zänkereien,
aber Liebe deckt alle Vergehen zu.“

Dies ist ein weiteres schönes Beispiel für antithetischen Parallelismus: Hass ist das Gegenteil von Liebe, und während Hass zu Zänkereien führt, verhindert Liebe Hader, indem sie alle Vergehen zudeckt. Was hier ebenfalls zum Ausdruck kommt, ist der Gedanke, dass Hass das Ergebnis von sündhaftem Verhalten einer Person uns gegenüber sein kann, und es ist uns nur mit und durch Liebe möglich zu verhindern, dass dieser Hass von uns Besitz ergreift—und zwar ist die Liebe Gottes gemeint, die durch den Heiligen Geist in unsere Herzen gegossen wurde.

Sprüche 11,3 (Einheitsübersetzung):

„Die Redlichen leitet ihre Lauterkeit,
die Verräter richtet ihre Falschheit zugrunde.“

Lauterkeit wird der Falschheit entgegengesetzt; der Redliche wird mit dem Verräter in Kontrast gebracht; und „leiten“ ist das Gegenteil von „zugrunde richten“. Wenn wir aufrichtig und redlich sind, werden wir in die richtige Richtung geführt werden, aber wenn wir verkehrt und der Wahrheit Gottes untreu werden—an ihr „Verrat“ üben–werden wir zugrunde gehen. Auch diese Aussage kann in geistlicher und physischer Hinsicht verstanden werden.

Sprüche 16,9 (Elberfelder Bibel):

„Das Herz des Menschen plant seinen Weg,
aber der HERR lenkt seinen Schritt.“

Dieses Beispiel für antithetischen Parallelismus (worauf wieder das Wort „aber“ in der zweiten Zeile hinweist) zeigt uns, dass der Mensch Pläne schmieden mag, die jedoch wertlos sind. Andererseits ist es Gott, der die Schritte des Menschen lenken muss, um Erfolg zu erlangen. Es liegt nicht im Herzen des Menschen, seine Schritte in die richtige Richtung zu lenken. Vielmehr bedarf es Gottes Eingreifen und Leitung, und so müssen wir Gott auf all unseren Wegen akzeptieren und uns seiner Leitung und seinem Willen unterordnen.

Sprüche 29,27 (Menge):

„Für die Gerechten ist ein Mensch, der unrecht tut, ein Gräuel;
und für den Gottlosen ist ein Gräuel, wer rechtschaffen wandet.“

So wie der Gerechte das Verhalten eines Ungerechten nicht gut heißen wird–das Verhalten, nicht die Person ist dem Gerechten ein Gräuel–so wird der Gottlose das Verhalten einer gerechten Person nicht akzeptieren. Eine gottlose Person lehnt den Weg Gottes ab und wird diejenigen verfolgen, die ihn gehen, aber die gerechte Person wird nicht vom Gottlosen beeinflusst, dessen Weg zu folgen.

Psalm 37,9:

„Denn die Bösen werden ausgerottet;
die aber des HERRN harren, werden das Land erben [besser: „die Erde,“ vgl. New King James Bible].“

Während die Bösen nicht ewig leben und die Erde ererben werden, werden diejenigen, die auf den Herrn warten, ihnen zu helfen und sie zu leiten, ewig im Königreich Gottes leben und die Erde unter Jesus Christus regieren. Es ist interessant, dass die Bösen mit denjenigen in Kontrast gebracht werden, „die…des Herrn harren“. Wenn wir nicht auf Gott warten, sondern selbst versuchen, mit Problemen „umzugehen“, werden wir vielleicht zu Übeltätern, indem wir „Lösungen“ wählen, die nicht richtig und gerecht sind. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Idee, dass wir in den Krieg ziehen müssen, um anderen Ländern Frieden und Demokratie zu bringen.

Psalm 20,9 (deutsche Wiedergabe der englischen New King James Bible):

„Sie haben sich verneigt (vor ihren Wagen und Rossen, vgl. Vers 8) und sind gefallen;
wir aber erheben uns (vom Gebet zu Gott, vgl. Vers 7) und stehen aufrecht.“

Während sich heidnische Nationen vor ihren selbstgeschaffenen Göttern, Götzen und ihrer Hände Werk verneigen und ihr Vertrauen in sie setzen und dabei fallen, knien wir vor Gott im Gebet und können dann aufrecht stehen und den Gefahren begegnen, ohne uns zu fürchten. Aber hier wird noch mehr zur Sprache gebracht: Die Heiden verneigen sich (in ihrer falschen Anbetung), während wir uns erheben; sie fallen und wir stehen aufrecht. Hierbei geht es auch und gerade um die innere Haltung: Wenn wir zu Gott beten, erwarten wir eine Antwort. Wenn wir Hilfe benötigen, kommen wir freimütig vor den Thron Gottes. Andererseits verneigen sich die Heiden in ängstlicher und abergläubischer Haltung; sie haben sich mit ihren eigenen Erfindungen versklavt und quälen sich unter einem Joch. Und so werden sie von Satan dem Teufel gefangen gehalten, um seinen Willen zu tun, während wir frei sind von der Gefangenschaft böser Ideen, und stattdessen Freunde von Jesus Christus geworden sind.

KOMBINATION VON INTROVERTIERTEM und ANTITHETISCHEM PARALLELISMUS

Behandeln wir nun zwei Beispiele, die INTROVERTIERTEN und ANTITHETISCHEN PARALLELISMUS miteinander kombinieren. In diesen Beispielen wird die zweite Zeile mit der ersten Zeile in Kontrast gebracht, wobei die Reihenfolge der (gegensätzlichen) Gedanken in der ersten und der zweiten Zeile vertauscht ist:

Psalm 1,6:

„Denn der HERR kennt den Weg der Gerechten,
aber der Gottlosen Weg vergeht.“

In diesem Beispiel ist die Reihenfolge der Gedanken in der ersten und zweiten Zeile vertauscht. Der Weg der Gerechten (Gedanke 2 in Zeile 1) wird dem Weg der Gottlosen (Gedanke 1 in Zeile 2) gegenübergestellt, und die Kenntnis des HERRN (Gedanke 1 in Zeile 1) wird „vergehen“ (Gedanke 2 in Zeile 2) gegenübergestellt.

Gott kennt (im Sinne von bestätigt) den Weg der Gerechten, jedoch befürwortet er den Weg der Gottlosen nicht, weshalb sie und ihr Weg vergehen werden. Wenn Gott unseren Weg bestätigt, werden wir erfolgreich sein und standhalten; wenn er unseren Weg missbilligt (weil wir gottlos geworden sind), werden wir vergehen. Der Sünde Sold ist der Tod, doch das Geschenk Gottes ist das ewige Leben. Doch Gott gibt uns das Geschenk des ewigen Lebens nicht, wenn wir ihm durch unser sündhaftes Verhalten zeigen, dass wir ihm nicht gehorsam sein wollen. Gott will nicht, dass wir für immer in Elend und Schmerz leben.

Sprüche 13,24:

„Wer seine Rute schont, der hasst seinen Sohn;
wer ihn aber lieb hat, der züchtigt ihn beizeiten.“

Dies ist ein weiteres schönes Beispiel für die Kombination von introvertiertem und antithetischem Parallelismus, bei dem die Gedanken vertauscht sind. „…hasst seinen Sohn“ (Gedanke 2 in Zeile 1) wird mit „ihn … lieb hat“ (Gedanke 1 in Zeile 2) in Kontrast gebracht. Ebenso wird „schont seine Rute“ (Gedanke 1 in Zeile 1) „züchtigt ihn beizeiten“ (Gedanke 2 in Zeile 2) gegenüber gestellt.

Wir hassen unsere Kinder, wenn wir unsere Rute schonen, aber wir lieben sie, wenn wir sie bei Zeiten züchtigen–das bedeutet, im Moment der Übertretung oder rebellischen Verhaltens. Indem Eltern zu lange mit der Disziplinierung warten oder inkonsequent sind und den Kindern nur mit Strafe drohen, ohne sie durchzuführen, zeigen sie ihren Kinder nicht die Liebe, die sie ihnen entgegenbringen sollten, indem sie sie auf den Weg vorbereiten, den sie gehen sollten. Die liberale anti-autoritäre Erziehung der vorwiegend westlichen Welt hat fürchterliche Früchte hervorgebracht und spiegelt nicht die Liebe wieder, die Eltern für ihre Kinder haben sollten. Obwohl körperliche Züchtigung in manchen Ländern verboten ist, sagt uns Gott, dass sie in bestimmten Fällen biblisch ist. Aber „die Rute“ darf nie dazu verwendet werden, dem Körper des Kindes Schaden zuzufügen oder es zu verletzen.

Darüber hinaus betonen wir folgendes in unserer kostenlos erhältlichen Broschüre „Die Schlüssel zur glücklichen Ehe und Familie!“ (Seite 30): „Hier wird der Gebrauch einer Rute oder eines Stocks mit zeitiger oder baldiger Züchtigung assoziiert; in dieser Passage ist also die Begrifflichkeit der angemessenen Züchtigung enthalten. Natürlich züchtigen wir keinen Jugendlichen oder Erwachsenen, denn das muss schon früh in der Entwicklung des Kindes geschehen. Doch müssen wir uns stets vor Augen halten, dass wir dies unserem Kind zuliebe tun. Wenn wir dies aus anderen Beweggründen tun, so entspricht es dann nicht mehr Gottes Willen. Die Bestrafung sollte nie körperliche Verletzungen beim Kind hervorrufen, oder in unkontrolliertes Prügeln ausarten. Der Sinn besteht darin, das widerspenstige Benehmen zu bannen, und nicht die Haut mit blauen Flecken zu übersäen.“

SYNTHETISCHER PARALLELISMUS

Ein weiteres Konzept in der hebräischen poetischen Reimform ist der SYNTHETISCHE PARALLELISMUS. Er wird manchmal auch als konstruktiver oder epithetischer Parallelismus bezeichnet.

Im synthetischen Parallelismus beschreibt das Wort „Synthese“ eine Kombination von getrennten Teilen oder Elementen zu einem Ganzen. Mit anderen Worten, es bauen sich Gedanken aufeinander auf.

Im synthetischem Parallelismus fügt der zweite Gedanke dem ersten Gedanken etwas Neues hinzu, oder er mag den ersten Gedanken erklären.

Wir werden dieses Konzept im Folgenden noch in weitere Bestandteile zerlegen.

Zuerst werden wir zwei Beispiele betrachten, in denen ein Gedanke in der ersten Zeile durch einen weiteren Gedanken in der zweiten Zeile ergänzt wird.

Psalm 2,6:

„Ich aber habe meinen König eingesetzt
auf meinem heiligen Berg Zion.“

Bei diesem Beispiel muss der erste Gedanke in der ersten Zeile durch einen zweiten Gedanken in der zweiten Zeile ergänzt werden, damit eine vollständige Aussage gemacht und ein ganzer Satz wiedergegeben werden kann. In dieser bedeutungsvollen Verkündigung erklärt Gott der Vater den Nationen und Königen der Erde, die ihm spotten, dass er „seinen König“ bereits „auf seinem heiligen Berg Zion“ eingesetzt hat. Der König beschreibt den Sohn, den Gesalbten, Jesus Christus (vergleiche Verse 2, 7 und 12). Lange noch bevor Jesus Christus als ein menschliches Wesen geboren werden würde, war es für den Vater schon klar, dass er sich zum Regenten des Königreiches Gottes qualifizieren würde. Wenn der Vater „mein König“ sagt, meinte er nicht, dass Jesus ihm übergeordnet wäre, sondern vielmehr das Gegenteil: Jesus ist der König des Vaters—er erhält seine Königsherrschaft von dem Vater; er steht unter dem Vater.

Psalm 138,4 (Elberfelder Bibel):

„Alle Könige der Erde werden dich preisen, HERR,
wenn sie die Worte deines Mundes gehört haben.“

In diesem Abschnitt wird der erste Gedanke in der ersten Zeile durch einen zweiten Gedanken in der zweiten Zeile ergänzt: Alle Könige der Erde werden Gott preisen und ihm Ehre erweisen, wenn sie seine Worte hören. Der Zusammenhang ist das Millennium, wenn der verherrlichte Jesus Christus die Erde regieren wird—dann werden die Könige verstehen, was Gott ihnen sagt, und dann WERDEN sie ihn für die Wahrheit preisen.

Konzentrieren wir uns nun auf ein Beispiel für synthetischen Parallelismus, bei dem die Gedanken in beiden Zeilen miteinander verglichen oder in Kontrast zueinander gebracht werden.

Sprüche 15,17:

„Besser ein Gericht Kraut mit Liebe
als ein gemästeter Ochse mit Hass.“

Der Kontrast oder Vergleich ist durch die Ausdrucksweise „Besser … als“, klar zu erkennen. Es ist besser, wenig mit Liebe zu haben als viel mit Hass. Salomon setzt ein Krautgericht mit einem gemästeten Ochsen in Kontrast und weist darauf hin, dass solche physischen Reichtümer nie zufriedenstellend sind, wenn es keine Liebe im Haus gibt.

Sehen wir uns als eine dritte Variante zwei Beispiele an, bei denen der Gedanke in der zweiten Zeile den Gedanken in der ersten Zeile erklärt. Das ist ein wichtiges Prinzip für das richtige Verständnis; andernfalls wäre es möglich, dass wir die beabsichtigte Bedeutung einer bestimmten Aussage nicht in vollem Umfang begreifen.

Sprüche 26,4:

„Antworte dem Toren nicht nach seiner Torheit,
dass du ihm nicht gleich wirst.“

In diesem Beispiel wird der Gedanke in der ersten Zeile durch den Gedanken in der zweiten Zeile erklärt. Wenn es dazu führen würde, dass wir so würden wie der Tor, dann sollten wir uns davor hüten, einem Narren seiner Narrheit gemäß zu antworten.

Sprüche 26,5:

„Antworte aber dem Toren nach seiner Torheit,
dass er sich nicht weise dünke.“

In dieser Stelle wird der Gedanke der ersten Zeile ebenfalls durch den Gedanken in der zweiten Zeile erklärt, jedoch wird uns im Gegensatz zum vorigen Beispiel gesagt, dass wir einem Narren nach seiner Narrheit antworten sollen, damit er nicht denken soll, dass er klug ist und wir nicht in der Lage wären, ihm eine Antwort zu geben. So ist es von den Umständen abhängig, ob wir einem Toren nach seiner Torheit antworten sollen oder nicht: Wir dürfen nicht selber zu Toren werden, sollen aber anderseits nicht den Narren in seiner Torheit bestärken.

In Vers 4 wird uns gesagt, dass wir einem Toren nicht antworten sollen, „damit wir ihm nicht gleich werden“. Wir werden ermahnt, unnütze Diskussionen zu vermeiden, die Zeit und Energie für Dummheit vergeuden, und wir sollen davon absehen, Antworten zu geben, die den Unsinn bestätigen und ebenfalls unsinnig sind. Jedoch wird uns in Vers 5 gesagt, einem Toren zu antworten, „dass er sich nicht weise dünke“. Manchmal können wir kein schweigendes Einverständnis geben, indem wir still sind. Es gibt bestimmte Momente, wenn man handeln muss und seine Augen nicht ängstlich vor drohendem Schaden verschließen darf.

KULMINIERENDER PARALLELISMUS

Schauen wir uns nun das Konzept des KULMINIERENDEN PARALLELISMUS an. Kommentare bezeichnen dieses Konzept auch als übergreifenden Parallelismus oder den stufenartigen Parallelismus.

Kulminierender Parallelismus beschreibt das Konzept, dass ein Gedanke in der ersten Zeile in der zweiten Zeile verständlicher wird. Die zweite Zeile erreicht den Höhepunkt. Ein Gedanke in der ersten Zeile wird in der zweiten Zeile wiederholt, jedoch wird ein neuer steigernder Gedanke hinzugefügt (wie wenn man die nächste Stufe einer Treppe hochsteigt), und dieser steigernde Gedanke macht die ganze Aussage noch verständlicher.

Psalm 29,1 (Schlachter):

„Gebt dem HERRN, ihr Gottessöhne,
gebt dem HERRN Ehre und Lob!“

Der erste Gedanke in Zeile 1 („Gebt dem HERRN“) wird in der zweiten Zeile wiederholt, jedoch fügt die zweite Zeile hinzu, was gegeben werden soll: “Ehre und Lob“. Die „Gottessöhne“ könnten sich auf Engel beziehen oder auf Menschen, deren Potential es ist, verherrlichte Gottwesen zu werden. Aber alle sollen Gott Ehre und Lob darbringen. Indem dieses poetische Stilmittel gebraucht wird, wird hervorgehoben, WAS jede Kreatur Gott darbringen muss.

Psalm 29,8:

„… die Stimme des HERRN lässt die Wüste erbeben;
der HERR lässt erbeben die Wüste Kadesch.“

In der zweiten Zeile wird die Wüste als die „Wüste Kadesch“ identifiziert, wodurch dies zu einer Schlüsselaussage wird, da Kadesch in jener Wüste war, in die die Spione aus Jericho zurückkamen (4.Mose 13,26). Die Tatsache, dass die Stimme des HERRN die Wüste Kadesch erbeben ließ, zeigt sein Missfallen über den schlechten Bericht, den die Spione bei ihrer Rückkehr abgaben.

Psalm 1,2:

„…sondern hat Lust am Gesetz des HERRN
und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht!“

Dieses Beispiel für kulminierenden Parallelismus beinhaltet auch den introvertierten Parallelismus, was zeigt, dass manchmal unterschiedliche Stilmittel in einer bestimmten Bibelstelle zur Verwendung kommen. Hier wird der Höhepunkt durch die Tatsache ausgedrückt, dass die Person die Lust am Gesetz des HERRN hat und Tag und Nacht darüber nachdenkt. Es ist ebenfalls deshalb ein Beispiel für introvertierten Parallelismus, weil die Reihenfolge der Gedanken vertauscht ist (Gedanke 1 in Zeile 1 [„hat Lust“] wird durch den Gedanken 2 in Zeile 2 erklärt [„sinnt … Tag und Nacht“]).

EMBLEMATISCHER PARALLELISMUS

Ein weiteres Stilmittel hebräischer Poesie, das in der Bibel Gebrauch findet, ist der EMBLEMATISCHE PARALLELISMUS.

Das Wort „Emblem“ beschreibt ein Symbol oder ein Abzeichen, das etwas repräsentiert; beispielsweise wird eine weiße Taube oftmals als ein Symbol für Frieden gebraucht.

Dies ist ein wichtiges Stilmittel der Poesie, wobei eine wörtliche Aussage in einer Zeile einer Metapher oder einem Gleichnis in der anderen Zeile gegenübergestellt wird.

Eine Metapher deutet auf etwas hin, das sich von der wörtlichen Bedeutung unterscheidet, wie „Du hast ein Herz aus Stein“ oder „Träume sind Schäume.“ Ein Gleichnis vergleicht eine Sache mit einer anderen, wie „Er ist tapfer wie ein Löwe“, oder „Die Kindheit ist wie ein vorübergehender Traum“.

Wir unterscheiden zwischen emblematischem Parallelismus mit Bindeglied und emblematischem Parallelismus ohne Bindeglied. Im hebräischen Text ist die Verbindung oftmals durch das Wort „so“ festgelegt. Dieses Wort verbindet die unterschiedlichen Gedanken, wobei der Kontrast mit einer Metapher oder einem Gleichnis recht klar gemacht wird.

EMBLEMATISCHER PARALLELISMUS MIT BINDEGLIED

Beachten wir die folgenden zwei Beispiele für emblematischen Parallelismus MIT Bindeglied:

Psalm 42,1 (Elberfelder Bibel):

„Wie eine Hirschkuh lechzt nach Wasserbächen,
so lechzt meine Seele nach dir, Gott!“

Das Wort „so“ deutet hier darauf hin, dass der Gedanke in Zeile 1 mit dem Gedanken in Zeile 2 verglichen wird. Während Zeile 1 ein wörtliches Geschehen beschreibt (der durstige Hirsch sehnt sich nach Wasser), beschreibt Zeile 2 ein „Emblem“–ein Gleichnis oder eine Metapher: Davids Seele–sein ganzes Dasein–sehnt sich nach Gott.

Sprüche 25,25 (Schlachter Bibel)

„Wie kühles Wasser für eine dürstende Seele,
so ist eine gute Botschaft aus fernem Land.“

Hier finden wir einen weiteren Kontrast zwischen etwas Wörtlichem (kühles Wasser für eine dürstende Seele) und etwas Symbolischem (gute Botschaft aus fernem Land). Obwohl gute Botschaft aus einem fernen Land durchaus real sein kann, steht dies im symbolischen Kontrast mit dem Effekt von kühlem Wasser für eine dürstende Seele.

EMBLEMATISCHER PARALLELISMUS OHNE BINDEGLIED

Im nächsten Beispiel wird kein Bindeglied zu einer Metapher oder einem Gleichnis gebraucht; jedoch ist klar, dass im Hebräischen eine Verbindung beabsichtigt ist.

Sprüche 11,22:

„Ein schönes Weib ohne Zucht
[ist wie] eine Sau mit einem goldenen Ring durch die Nase.“

Die Wörter „ist wie“ sind im hebräischen Original nicht enthalten, jedoch ist es offensichtlich, dass sie hinzugefügt werden müssen (wie es der Übersetzer getan hat), um die Bedeutung klar zu machen. Die wörtliche Aussage („eine Sau mit einem goldenen Ring in der Nase“) wird symbolisch mit einem „schönen Weib“ verglichen („einem goldenen Ring“), das keinen Anstand hat.

PALILOGISCHEN PARALLELISMUS

Betrachten wir nun als ein weiteres Stilmittel hebräischer Poesie den PALILOGISCHEN PARALLELISMUS.

Das Wort „Palilogismus“ beschreibt die Wiederholung eines Wortes oder eines Satzes zum Zwecke der Betonung. Im palilogischen Parallelismus werden ein Wort oder mehrere Wörter innerhalb des ersten Gedankens als ein Echo im zweiten oder dritten Gedanken wiederholt. Wie wir besonders bei diesem Stilmittel sehen werden, können weitere Stilmittel mit eingeschlossen werden. Das ist wichtig zu verstehen, wenn wir die beabsichtigte Bedeutung einer bestimmten Aussage in vollem Umfang begreifen wollen.

Psalm 72,17:

„Sein Name bleibe ewiglich;
solange die Sonne währt, blühe sein Name.
Und durch ihn sollen gesegnet sein alle Völker,
und sie werden ihn preisen [besser: „segnen“, siehe New King James Bible].“

Dieses Beispiel kombiniert einige Stilmittel hebräischer Poesie. Zuerst integriert es das Konzept vom palilogischen Parallelismus. Der Gedanke über „seinen Namen“ in Zeile 1 wird als ein Echo in Zeile 2 verwendet, und der Gedanke „gesegnet sein“, in Zeile 3 wird als ein Echo in Zeile 4 („segnen“) wiederholt. Zusätzlich finden wir hier ebenfalls ein Beispiel für synonymen Parallelismus in Zeile 1 und 2. Die Vorstellung „ewiglich“ zu bleiben (in Zeile 1), wird mit der Vorstellung „solange die Sonne währt“ (in Zeile 2) gleichgesetzt. Das ist interessant, weil Jesus ebenfalls sagte, dass das Gesetz Gottes bestehen bleibt, solange der Himmel und die Erde bestehen (Matthäus 5,18). Da nun der Name Gottes zumindest solange „blühen“ wird (Zeile 2), wie die Sonne währt, so wird auch sein Gesetz solange bestehen.

Nahum 1,2 (Schlachter):

„Ein eifersüchtiger und rächender Gott ist der HERR;
ein Rächer ist der HERR und voller Zorn;
ein Rächer ist der HERR an seinen Widersachern;
er verharrt [im Zorn] gegen seine Feinde.“

Der Gedanke in Zeile 1 („ein rächender Gott“) wird als ein Echo in Zeile 2 und 3 wiederholt. Der Gedanke, dass er „voller Zorn“ ist (in Zeile 2), wird in Zeile 4 damit gleichgesetzt, dass er [zu ergänzen: in seinem Zorn] verharrt, wobei seine „Widersacher“ in Zeile 3 mit seinen „Feinden“ in Zeile 4 identifiziert werden, was zeigt, dass Gott über einen Menschen verärgert ist und ihn als seinen Feind betrachtet, wenn er dem Willen Gottes zuwider handelt.

Richter 5,27:

„Zu ihren Füßen krümmte er sich, fiel nieder und lag da.
Er krümmte sich, fiel nieder zu ihren Füßen;
wie er sich krümmte, so lag er erschlagen da.“

Gewisse Wörter in Zeile 1 („Zu ihren Füssen krümmte er sich, fiel nieder“) werden als ein Echo in Zeile 2 wiederholt und in Zeile 3 zu einem gewissen Grad ebenfalls, jedoch werden andere Gedanken hinzugefügt: „fiel nieder und lag da“ in Zeile 1 wird als ein identischer Gedanke in Zeile 3 („so lag er erschlagen da“) wiederholt. Das zeigt, dass eine erschlagene Person nur da liegt; es gibt keinen Fortbestand des Lebens oder des Bewusstseins, wenn jemand stirbt.

AKROSTISCHE GEDICHTE

Bevor wir diesen Artikel zum Abschluss bringen, wollen wir noch ein weiteres Stilmittel hebräischer Poesie ansprechen. Es beinhaltet nicht das Konzept des Parallelismus, und ist als AKROSTICHON bekannt. „Akrostichon“ bedeutet wörtlich „Anfang oder Spitze der Zeile“. Es bezieht sich auf Fälle, wenn jede Zeile–oder jede Zeilenfolge–mit einem neuen Buchstaben des hebräischen Alphabets beginnt, das aus 22 Buchstaben besteht.

Zum Beispiel finden sich 176 Verse in Psalm 119. Jeder Vers der ersten acht Verse beginnt mit dem ersten Buchstaben des hebräischen Alphabets; jeder Vers der zweiten acht Verse beginnt mit den zweiten Buchstaben des Alphabets, und so weiter, bis hin zum Ende des Palms, wenn jeder Vers der letzten acht Verse des Psalms mit dem letzten oder 22sten Buchstaben des hebräischen Alphabets beginnt. Diese Passagen in Psalm 119 sind in manchen Übersetzungen, wie z.B. in der Schlachter Bibel, markiert und ausgewiesen, wobei auch die jeweiligen hebräischen Anfangsbuchstaben angegeben sind. Jeder Vers der ersten acht Verse beginnt mit dem Buchstaben „Aleph“, gefolgt in der zweiten Strophe von acht Versen mit dem Buchstaben „Beth“ und so weiter, bis zum Ende des Psalms, wo der letzte Buchstabe des hebräischen Alphabets, der Buchstabe „Thaw“, in den Versen 169-176 hervorgehoben wird.

Es gibt noch weitere akrostische Gedichte in der Bibel.

Psalm 34,1-22 ist ein akrostischer Psalm, wie auch Psalm 25, der mit „kleinen Ausnahmen, in jedem Vers dieses alphabetisch akrostichen Psalms mit aufeinanderfolgenden Buchstaben des hebräischen Alphabets beginnt“ (vergleiche Ryrie Study Bible, Kommentar zu Psalm 34 und 25). Außerdem ist Psalm 37 „alphabetisch akrostisch, da jeder zweite Vers mit aufeinanderfolgenden Buchstaben des hebräischen Alphabets beginnt“ (vergleiche Ryrie Study Bible). Weitere akrostische Beispiele können in Psalm 9 und 10 gefunden werden, wo „(fast) jeder abwechselnde Vers mit dem nächsten darauf folgenden Buchstaben des hebräischen Alphabets beginnt“ (Ryrie Study Bible).

Sprüche 31,10-31 ist ebenfalls ein akrostisches Gedicht; ebenso enthält das Buch Klagelieder viele akrostische Gedichte. (Zum Beispiel kennzeichnet die englische Übersetzung der jüdischen Bibel, der Tanakh, ziemlich schön die unterschiedlichen Buchstaben des hebräischen Alphabets in diesen Abschnitten). Die Ryrie Study Bible erklärt, dass „das Buch [Klagelieder] aus fünf Gedichten besteht, eines für jedes Kapitel, wobei die ersten vier Gedichte oder Kapitel akrostisch geschrieben wurden (jeder Vers beginnt jeweils mit einem Wort, dessen erster Buchstabe fortlaufend einer der zweiundzwanzig Buchstaben des hebräischen Alphabets ist–abgesehen von Kapitel 3, in dem drei Verse einem Buchstaben zugeteilt sind)“.

Wenn wir die unterschiedlichen Stilmittel hebräischer Poesie erkennen, wie sie in der Heiligen Schrift Verwendung finden, dann sollten wir ein eindringlicheres Verständnis der beabsichtigten Bedeutung bestimmter Passagen bekommen und außerdem zusätzliche Dankbarkeit für die Schönheit empfinden, die in diesen Bibelstellen enthalten ist. Die Bibel ist ein lebendiges Buch–das Wort des lebendigen Gottes–und ihr Reichtum sollte uns mit Erstaunen und Dankbarkeit erfüllen, und uns immer wieder daran erinnern, dass der Mensch „nicht vom Brot allein“ lebt, „sondern von einem JEDEN Wort, das aus dem Mund Gottes geht“ (Matthäus 4,4).

Überblick—Das Hebräische Reimsystem

Synonymer Parallelismus – zweite Zeile wiederholt Gedanken der ersten Zeile

Identischer Synonymer Parallelismus – Wiederholung identischer Gedanken

Ähnlicher Synonymer Parallelismus – Wiederholung ähnlicher Gedanken mit Ergänzung

Introvertierter Parallelismus – Umkehrung identischer Gedanken in der ersten und zweiten Zeile

Antithetischer Parallelismus – zweite Zeile steht im Gegensatz zur ersten Zeile

Synthetischer Parallelismus – Gedanken bauen aufeinander auf, werden ergänzt, verglichen, erklärt oder stehen im Kontrast

Kulminierender Parallelismus – Gedanke in der ersten Zeile wird in der zweiten Zeile wiederholt und erreicht seinen Höhepunkt

Emblematischer Parallelismus – buchstäbliche Aussage wird mit Metapher oder Emblem verglichen

Emblematischer Parallelismus mit Bindeglied – Worte wie „so“ zeigen den Vergleich mit Metapher oder Emblem

Emblematischer Parallelismus ohne Bindeglied – Worte wie „so“ fehlen, sind aber zu ergänzen

Palilogischer Parallelismus – Betonende Wiederholung von Wörtern oder Satzteilen wie ein Echo

Akrostische Gedichte – Verse oder Versgruppen beginnen mit den aufeinanderfolgenden Buchstaben des hebräischen Alphabets

 

von Norbert Link